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Wann ist es Zeit aufzugeben?

Ich habe den Vertrag in der Hand. Ich habe den Job. Eine Managementposition in einem IT-Unternehmen. Gut bezahlt. Ein Traumjob …und ich hasse mich selbst.

Die Geburt meines ersten Sohnes steht unmittelbar bevor. Vor einigen Wochen sind wir in eine größere Wohnung gezogen. Nur mit meinem Unternehmen allein kann ich meine Familie zu diesem Zeitpunkt nicht ernähren. Zumindest nicht so, wie ich es mir vorstelle. Gut, ich wäre nicht der erste Gründer in Berlin, der den Schwanz einzieht, wenn das erste Kind unterwegs ist und damit das erste Mal im Leben wirklich Verantwortung auf einen zukommt. Also bin ich auf Jobsuche gegangen. Aber als ich das Angebot hatte, konnte ich einfach nicht unterschreiben. Es hat sich so falsch angefühlt.

Wie Seth Godin in seinem Buch „The Dip“ schreibt, hat jedes Projekt, das es Wert ist, umgesetzt zu werden, irgendwann den Punkt erreicht, an dem es richtig, richtig hart wird. Warum ist das so? Wenn es nicht hart wäre, hätte es schon jemand anderes gemacht, und dann würde es sich nicht mehr lohnen. Darum werden wir alle irgendwann an den Punkt kommen, an dem wir uns überlegen werden, ob es nicht besser wäre, einfach aufzuhören.

Jetzt könnte man ja sagen: „OK, Arschbacken zusammenkneifen und durch!“ Allerdings gibt es ja wirklich Situationen, in denen es keinen Sinn mehr macht weiterzumachen. Nicht selten habe ich in den Spiegel geguckt und mich gefragt, ob ich nicht eigentlich verrückt bin. Ich stehe hier mit 1.000 Euro Gehalt – brutto! -, während meine Freunde alle wer weiß wo Karriere machen. Wie habe ich entschieden, am Ball zu bleiben?

Ich sage immer scherzhaft: „Es lief immer zu gut, um aufzuhören.“ Lange haben wir gar kein Gehalt aus unserem Unternehmen gezogen, ständig mussten wir jeden Euro zweimal umdrehen. Aber wir konnten sehen, dass die Umsätze wuchsen und dass immer mehr Kunden auf uns aufmerksam wurden. Wir haben zwar keinen Gewinn gemacht, aber wir hatten eine schwarze Null und konnten immer mehr Geld wieder in die Firma stecken. Größere Bestellungen machen, neue Produkte entwickeln.

Man darf nicht anfangen, sich in die eigene Tasche zu lügen. Wichtig ist, sich klare Meilensteine zu setzen und zu bestimmten Terminen ernsthaft mit sich ins Gericht zu gehen, ob man weitermachen sollte oder ob man ein totes Pferd reitet. Das haben wir jedes Jahr gemacht. Meistens im Herbst, dann ist das Wetter so schlecht, dass man nicht in Gefahr kommt, zu positiv zu denken. Aber wenn wir uns die Zahlen genau angesehen haben, haben wir immer den Pfeil nach oben gesehen.

Wie habe ich am Ende entschieden? Ich schreibe diesen Blog, also bin ich bei meinem Unternehmen geblieben. Aber es war nicht leicht. Zunächst musste ich die ganze Situation mit einem Coach für mich selber aufarbeiten. So kam ich zu dem Schluss, dass ich lieber Unternehmer bleiben wollte. Jetzt musste ich aber meine frisch gebackene Familie mit ins Boot holen. Ich habe mit meiner Frau einen Finanzplan für unsere Familie aufgestellt und mit ihr den Finanzplan für unser Unternehmen besprochen. Wir haben ein neues Produkt für das Frühjahr geplant, lass es uns noch 6 Monate probieren…

Es wurde alles gut. Häufig lohnt es sich durchzuhalten, aber man muss ehrlich bleiben. Zu sich selbst und den Menschen, für die man sich verantwortlich fühlt.

3 Antworten auf „Wann ist es Zeit aufzugeben?“

Hi Nico,
danke Dir für diesen Impuls 🙏🏼☺️

Viele Menschen denken, dass Erfolg wie eine Linie zwischen A und B verläuft. Dabei ist Erfolg oft eine lange Reise mit einigen holprigen Umwegen und in tiefe Sackgassen bis das Ziel am Horizont erscheint. Ein „Erfolg über Nacht“ dauert meist viele Jahre an Vorbereitung.
Die Kunst ist, sich auf sich selbst zu vertrauen, den Mut nicht zu verlieren, Geduld zu erlernen und stets beharrlich zu bleiben.
Stress Dich nicht. Kleine Schritte sind auch wertvoll, solange sie vorwärts gerichtet sind und das Wichtigste ist, vergleiche Dich nicht. Wenn es mal hart wird, hilft mir Dankbarkeit zu üben und zu reflektieren, was ich alles schon erreicht habe. Gib alles, aber niemals auf! Hau rein, mein Lieber!

Hey Nico, das ist ein großartiger, ehrlicher und absolut nachvollziehbarer Beitrag. Und oft sehen Aussenstehende auch nur den „vermeintlichen“ Erfolg oder den Glitzer über allem – aber wie viele harte Tage und Entscheidungen und Zweifel und Ängste jeder Gründer/Unternehmer/Selbstständige hat, das blendet man im Angesicht des tatsächlichen Erfolgs oft gerne aus. Und es gibt ja auch nicht „den Erfolg“, sondern es ist ja vielmehr ein täglicher Kampf, die eigene Existenzberechtigung immer wieder zu beweisen. Ich bin sicher kein Hardcore-Shopper, aber ich finde eure Produkte grandios und da steckt so unglaublich viel Leidenschaft drin. Danke fürs Teilen Deiner Geschichte!

„Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel“
Du schreibst hier wirklich schöne kleine Texte, die unterhaltsam sind und an der einen oder anderen Stelle zum Nachdenken anregen. 👍
LG
Jonas

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